05/04/2023

Mit Design Thinking in eine bürgernahe Zukunft

Autor: Philip Knittler

Das Foto zeigt eine Workshop-Situation mit drei Personen.

Oft sieht sich die öffentliche Verwaltung mit dem Vorwurf konfrontiert, dass ihre Prozesse zu kompliziert und nicht nutzerfreundlich genug sind. Ein Werkzeug, um dem entgegenzuwirken, ist die Anwendung von Design Thinking Methoden.

Design Thinking hat seinen Ursprung im Bereich Produktdesign und Architektur, wurde aber von dem Stanford Design Programm (d.school) in den 1990er Jahren für eine breitere Anwendung in verschiedenen Branchen adaptiert und verbreitet. Um kreative Lösungen für Herausforderungen zu finden, wird die Methodik weltweit in vielen Unternehmen und Organisationen eingesetzt. Dabei hat sich Design Thinking als effektives Instrument für die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Prozesse erwiesen.

Was ist Design Thinking und wie funktioniert es?

Design Thinking setzt auf einen benutzerzentrierten Ansatz, indem es die Sichtweise und Bedürfnisse der Nutzer*innen in den Fokus stellt. Der Prozess besteht aus fünf Phasen: Verstehen, Definieren, Ideenfindung, Prototyping und Testen. Diese Phasen arbeiten eng mit den Prinzipien von Empathie, Kollaboration, Experimentieren und Iteration zusammen, um eine benutzerorientierte Herangehensweise zu fördern. Diese Grundsätze sorgen für eine menschenzentrierte und benutzerorientierte Herangehensweise, die sich von traditionellen Ansätzen unterscheidet, bei denen Lösungen vermehrt aus der Perspektive des Unternehmens entstehen.

In der freien Wirtschaft ist Design Thinking weit verbreitet und hat sich als effektive Methode bewährt, um Probleme zu lösen und Innovationen zu fördern. Ein Beispiel für die Anwendung von Design Thinking auf Unternehmensebene ist das Enterprise Design Thinking Framework von IBM. Es dient dazu, komplexe Herausforderungen im Geschäftsumfeld zu lösen und den Nutzen für Kund*innen, Mitarbeitende und andere Stakeholder zu maximieren. Im Gegensatz zu traditionellen Unternehmensprozessen, die oft von starren Hierarchien und Abläufen geprägt sind, verfolgt Enterprise Design Thinking einen iterativen Ansatz, bei dem Lösungen aufgrund von Feedback und ständiger Anpassung entwickelt werden.

Warum ist Design Thinking für den öffentlichen Sektor relevant?

Obwohl viele Unternehmen designbasierte Ansätze als wichtigen Faktor für bessere Dienstleistungen und Prozesse erkannt und entsprechende Kompetenzen und Rollen aufgebaut haben, hinkt der öffentliche Sektor oft noch hinterher, wenn es um die Entwicklung benutzerzentrierter Lösungen geht.

Doch gerade der öffentliche Sektor und seine Dienstleistungen, inklusive der zu Grunde liegenden Verwaltungsprozesse, haben das Potenzial, durch neue und nutzerzentrierte Ansätze an Effizienz und Nutzbarkeit zu gewinnen. Denn öffentliche Dienstleistungen sind von entscheidender Bedeutung für Bürger*innen und Gesellschaft als Ganzes – vor allem zur Vertrauensbildung. Um einen effektiven und benutzerfreundlichen Service zu gewährleisten, ist es wichtig, dass Verwaltungsprozesse nicht nur benutzerfreundlich, sondern auch doppelt benutzerzentriert gestaltet werden. Dies bedeutet, dass sowohl die Bedürfnisse der Bürger*innen als auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in der Verwaltung berücksichtigt werden. Durch den Einsatz von Design Thinking können Verwaltungsprozesse verbessert werden, indem die Perspektiven beider Parteien in den Fokus gestellt werden, was zu einem effektiveren Service führt.

Warum ist Design Thinking in der Praxis oft schwierig umzusetzen?

Die Implementierung von Design Thinking im öffentlichen Sektor ist ein viel diskutiertes Thema und teilweise wird die Anwendbarkeit der Methode in Frage gestellt. Dabei wird vor allem angeführt, dass die Grundprinzipien des Design Thinking mit den tatsächlichen Herausforderungen und den vielschichtigen Arbeitsabläufen in der öffentlichen Verwaltung in Konkurrenz stehen. Doch woran liegt das? Mehrere Faktoren tragen dazu bei:

Perspektivwechsel und Veränderungsdruck
Die Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen der Zielgruppe herauszufinden und zu benennen, ist eine der zentralen Säulen des Design Thinking. Gerade die Konzeption und Durchführung qualitativer Forschungsaktivitäten mit Bürger*innen ist daher eine wichtige Fähigkeit, die erst erlernt werden muss. Wenn diese nicht von Anfang an eine zentrale Rolle bei der Formulierung der Ausgangsfrage spielt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lösung auf die Institution selbst ausgerichtet ist anstatt auf die der Zielgruppe.

Regulatorische und politische Anforderungen
Interne Vorgaben und regulatorische Abläufe können die Implementierung von Design Thinking in der öffentlichen Verwaltung hemmen, weil sie oft starre Prozesse und Verfahren vorschreiben, die nicht immer anpassungsfähig sind und wenig Spielraum für innovative Lösungen bieten.

Offenheit für iterative Vorgehen
Design Thinking wird oft aufgrund politischen Drucks und Bedenken bezüglich Zeit- und Ressourceneinsatz eingeschränkt. Dies kann auf den Ergebnisdruck zurückzuführen sein, da das Design Thinking Vorgehen nicht unmittelbar zu finalen Ergebnissen, Produkten oder Services führt, sondern einen iterativen Ansatz beinhalten, bei dem erste Lösungsideen prototypisch getestet werden.

Tiefgreifende Umsetzung und fachliche Befähigung
Es ist wichtig, dass Design Thinking in Verwaltungen tiefgreifend umgesetzt wird. Dies bedeutet, dass die grundlegenden Prinzipien und Methoden verstanden und angewendet werden, um maximale Vorteile zu erzielen.

Wie die Einführung von Design Thinking gelingt

Damit die Einführung von Design Thinking in der öffentlichen Verwaltung gelingt, ist es wichtig, die Herausforderungen als Chance zu sehen. Bürger*innen beurteilen ihre Erfahrungen mit staatlichen Dienstleistungen nicht nach politischen Entscheidungen oder internen Abläufen, sondern anhand ihrer persönlichen Erfahrungen damit. Daher ist es von Vorteil, wenn politische Entscheidungsträger*innen und Service-Erbringende zusammenarbeiten und Probleme gemeinsam lösen, um eine positive Bürgererfahrung zu garantieren. Der Einsatz von Design Thinking ermöglicht behördlichen Institutionen von Anfang an, bei der Gestaltung ihrer Dienstleistungen eine menschenzentrierte Umsetzbarkeit zu fokussieren.

5 Gründe, warum Design Thinking im öffentlichen Sektor relevant ist

  1. Verbesserung der Nutzerzufriedenheit: Design Thinking fokussiert sich auf die Bedürfnisse der Nutzenden und bemüht sich, Lösungen zu entwickeln, die ihre Probleme tatsächlich lösen. Dies führt zu einer höheren Zufriedenheit und trägt dazu bei, dass sie die Dienstleistungen des öffentlichen Sektors gerne nutzen.
  2. Effizienzsteigerung: Design Thinking ist eine iterative Methode, bei der Lösungen in kleinen Schritten entwickelt, verbessert und bereits in der Prototyp-Phase getestet werden. Dies führt zu schnelleren Ergebnissen und hilft, überflüssige Arbeitsschritte zu vermeiden.
  3. Kosteneinsparungen: Da Nutzende von Anfang an fokussiert werden, sind diese am Ende auch zufriedener. Design Thinking ermöglicht so eine bedarfsorientierte Entwicklung der Lösung und reduziert das Risiko – kostspielige Fehler in der Planung und Umsetzung von Projekten werden vermieden und Kosten eingespart.
  4. Steigerung der Innovationsfähigkeit: Design Thinking ermutigt zu kreativen Lösungen und fördert die Innovationsfähigkeit. Dies ist besonders wichtig für den öffentlichen Sektor, da hier oft komplexe Herausforderungen und veraltete Prozesse zu bewältigen sind.
  5. Stärkung des öffentlichen Vertrauens: Design Thinking legt großen Wert auf die Beteiligung aller Nutzenden und setzt auf eine offene Kommunikation. Dies kann dazu beitragen, das Vertrauen in den öffentlichen Sektor zu stärken und dessen Reputation zu verbessern.

Mit einem menschenzentrierten, kollaborativen und experimentellen Ansatz fördert Design Thinking nicht nur innovative Lösungen, sondern auch eine kontinuierliche Verbesserungshaltung und Neugier. Dies ermöglicht es, flexibel auf veränderte Bedürfnisse zu reagieren und transformative Lösungen zu entwickeln. Design Thinking ist somit eine wirkungsvolle Methode, um öffentliche Institutionen nachhaltig zu verändern. Es hilft Mitarbeitenden des öffentlichen Sektors dabei, die Lücke zwischen Herausforderung und Veränderung zu schließen und eine engere Verbindung zu den Nutzenden – den Bürger*innen – aufzubauen, was ein neues Verantwortungsgefühl und einen neuen Sinn für die eigene Rolle bewirken kann.

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